Logo Kärntnerrind

Viele Zuchtwert-Verbesserungen bei den Pinzgauern


Dr. Christian Fürst, ZuchtData Wien für das ZWS-Team DE-AT-CZ

Bekanntlich gibt es bei den Zuchtwertschätzverfahren immer wieder Änderungen im Sinne von Verbesserungen. In den letzten paar Jahren wurden allerdings viele Weiterentwicklungen nicht sofort umgesetzt, um zu häufige Zuchtwert-Änderungen zu vermeiden. Bei der August-ZWS wurden diese Neuerungen für die Rassen Pinzgauer, Grauvieh, Gelbvieh und Vorderwälder gesammelt in die Routine umgesetzt. Im Folgenden werden die einzelnen Umstellungen dargestellt.


Überblick:

  • Zuchtwerte für neue Merkmale:
  • Gesundheit (Mastitis, frühe Fruchtbarkeitsstörungen, Zysten)
  • Aufzuchtverluste (Vitalitätswert)
  • Modernisierung der ZWS-Modelle:
  • Nutzungsdauer (BLUP-Tiermodell)
  • Kalbeverlauf (mit Trächtigkeitsdauer)
  • Fruchtbarkeit (mit Gesundheit)
  • geänderte Basis (Kuhbasis)
  • Anpassung der Gewichte im Gesamtzuchtwert GZW (Zuchtziel)


Erstmals Gesundheits-Zuchtwerte

In Österreich werden bereits seit 2006 im Rahmen des Gesundheitsmonitorings tierärztliche Diagnosen im RDV erfasst. Zusätzlich stehen auch Daten von geburtsnahen Beobachtungen zur Verfügung, dabei handelt es sich um die Nachgeburtsverhaltung und um das Festliegen. Nachgeburtsverhaltung ist neben Gebärmutterentzündung, Stillbrunst usw. ein wesentlicher Teil der frühen Fruchtbarkeitsstörungen, die gemeinsam mit den Eierstockzysten die bisherigen Fruchtbarkeitsmerkmale ergänzen. Das Festliegen/Milchfieber wird Teil einer späteren ZWS für Stoffwechselstabilität sein.

Zusätzlich zu den beiden Gesundheits-Zuchtwerten frühe Fruchtbarkeitsstörungen (FFR) und Zysten (ZYS) werden auch Zuchtwerte für Mastitis (MAS) veröffentlicht. Diese neuen Zuchtwerte werden wie üblich als Relativzuchtwerte dargestellt, wobei höhere Werte züchterisch erwünscht sind, also weniger Fruchtbarkeitsstörungen bzw. eine bessere Eutergesundheit bedeuten.

Die insgesamt 7 Fruchtbarkeitsmerkmale für die Zuchtwerte geschätzt werden (Non-Return-Rate Kalbin/Kuh, Rastzeit, Verzögerungszeit Kalbin/Kuh, FFR, ZYS) werden im neuen Fruchtbarkeitswert FRW entsprechend der wirtschaftlichen Bedeutung zusammengefasst (70% Non-Return-Rate und Verzögerungszeit, 20% FFR und 10% ZYS).

Der Mastitis-Zuchtwert wird wiederum mit dem Zellzahl-Zuchtwert kombiniert und als Eutergesundheitswert EGW veröffentlicht, wobei Zellzahl mit 70% und Mastitis mit 30% gewichtet werden.


Neuer Merkmalskomplex Aufzuchtverluste

Der neue Merkmalsbereich Aufzuchtverluste umfasst die Totgeburtenrate (tot geboren oder innerhalb von 48 Stunden verendet) und die Aufzuchtphase bis 10 Monate bei den männlichen und bis 15 Monate bei den weiblichen Jungrindern. Datengrundlage für die ZWS sind Verendungsmeldungen aus der Tierkennzeichnung (AMA).

Aus den einzelnen Abschnitts-Zuchtwerten wird gemäß der wirtschaftlichen Bedeutung der sogenannte Vitalitätswert VIW errechnet, wobei die Totgeburten und die weiteren Aufzuchtverluste jeweils mit 50% gewichtet werden.

Der VIW wird ebenfalls als Relativ-ZW dargestellt, wobei Werte über 100 niedrigere Aufzuchtverluste bzw. höhere Überlebensraten bedeuten. Es wird nur der VIW veröffentlicht, die Einzelzuchtwerte (also auch Totgeburten) nicht.


Update bei den Zuchtwertschätzverfahren

Neben den beschriebenen neuen Fitness-Zuchtwerten wurden auch die ZWS-Verfahren bei weiteren Fitnessmerkmalen auf den neuesten Stand gebracht. Das betrifft speziell die ZWS Nutzungsdauer, die auf völlig neue Beine gestellt wurde.

Die bisherige ZWS Nutzungsdauer erfolgte mit einer sogenannten Lebensdaueranalyse (Survival Analyse). Nachteil der bisherigen ZWS war, dass es sich dabei um kein Tiermodell gehandelt hat und dadurch die Kuh-Zuchtwerte näherungsweise berechnet werden mussten. Problematisch war auch, dass die gesamte Nutzungsdauer nur einem (dem letzten) Betrieb zugeordnet werden musste und so Betriebswechsel nicht sauber abgebildet werden konnten.

Das neue ZWS-Verfahren basiert wie bei allen anderen Merkmalen jetzt auch auf einem BLUP-Tiermodell. Im neuen Modell wird die Nutzungsdauer einer Kuh bis zur 7. Abkalbung in insgesamt 9 Abschnitte unterteilt. In jedem Abschnitt wird unterschieden, ob die Kuh den Abschnitt überlebt hat oder nicht.

Zur Erhöhung der Sicherheit des Nutzungsdauer-Zuchtwerts wird der reine Nutzungsdauer-ZW mit Exterieur-Merkmalen, die einen genetischen Zusammenhang zur Nutzungsdauer aufweisen, kombiniert. Die wichtigsten Merkmale sind dabei die Euter- und Fundament-Zuchtwerte. Weiters wird berücksichtigt, dass ein leicht negativer genetischer Zusammenhang zwischen Rahmen und Nutzungsdauer besteht, das heißt, dass mittelrahmige Kühe tendenziell länger leben als zu große und schwere Tiere. Dieser mit den Exterieur-Merkmalen kombinierte Nutzungsdauer-Zuchtwert geht wie bisher in den GZW ein und stellt den offiziellen Nutzungsdauer-Zuchtwert dar – auf die Kombination mit weiteren Fitnessmerkmalen wird verzichtet.


Bisher erfolgte die Kalbeverlaufs-ZWS gemeinsam mit der Totgeburtenrate. Mit der neuen ZWS wandert die Totgeburtenrate wie beschrieben zur neuen ZWS Aufzuchtverluste, der Kalbeverlauf wird jetzt gemeinsam mit der Trächtigkeitsdauer geschätzt. Es ist bekannt, dass eine längere Trächtigkeitsdauer in der Regel zu größeren Kälbern führt und damit auch zu mehr Geburtsproblemen. Bei der neuen ZWS wird die Trächtigkeitsdauer als Hilfsmerkmal in diesem Zusammenhang zur Erhöhung der Sicherheit des ZW Kalbeverlaufs genutzt. Der veröffentlichte Kalbeverlaufs-ZW wurde bisher als Durchschnitt der Zuchtwerte für erste und weitere Abkalbungen errechnet. Neu wird mit einer Gewichtung von 75 : 25% ein höheres Gewicht auf die erste Abkalbung gelegt. Der ZW Trächtigkeitsdauer dient als reines Hilfsmerkmal und wird nicht veröffentlicht.


Kuh- statt Stierbasis

Die sogenannte Basis der Zuchtwerte stellt in der ZWS den Bezugspunkt für die geschätzten Zuchtwerte dar. Das bedeutet, dass die Tiergruppe der Basistiere im Durchschnitt bei allen Relativzuchtwerten (GZW, MW, usw.) auf 100 bzw. bei den Milchmerkmalen auf 0 gesetzt werden. Diese Bezugsbasis wird bei jeder ZWS aktualisiert, d.h. um ca. 4 Monate nachgerückt (gleitende Basis). Bisher wurde eine Stierbasis verwendet, die aber im August bei allen Rassen auf eine Kuhbasis umgestellt wurde, da diese besonders bei den kleinen Rassen deutlich stabiler ist. Bei den Pinzgauern haben bisher die jeweils 8-12 Jahre alten Stiere die Basis gebildet, neu sind es die 6-8 Jahre alten Kühe. Dadurch ist in Zukunft mit sehr einheitlichen Basisabschreibungen bei jeder ZWS zu rechnen.


 
 

 

Auswirkungen auf den Gesamzuchtwert

Die beschriebenen Umstellungen in der ZWS haben selbstverständlich eine direkte Auswirkung auf den Gesamtzuchtwert GZW (siehe Tabelle). Die Gewichtung von Milch zu Fleisch zu Fitness bleibt mit 36 : 14 : 50% gleich wie bisher. Innerhalb des Fitnessblocks wird etwas Gewicht von der Nutzungsdauer auf den neuen Fruchtbarkeitswert FRW verschoben. Außerdem ersetzt der Vitalitätswert VIW die Totgeburten. Das ermöglicht zusätzlich, die Gewichtung des Eutergesundheitswerts EGW, der die reine Zellzahl ersetzt, auf 10% zu erhöhen. Über FRW und EGW sind also erstmals Gesundheitsmerkmale direkt im GZW und damit im Zuchtziel der Rasse Pinzgauer enthalten.


Tab.: Wirtschaftliche Gewichte pro genet. Standardabweichung (%) – Pinzgauer.


bis Apr. 21

ab Aug. 21

MILCH

36

36

FLEISCH

14

14

FITNESS

50

50

Fett-kg

17

17

Eiweiß-kg

19

19

Nettozunahme

7,2

7

Handelsklasse

7,2

7

Nutzungsdauer

22,5

18

Persistenz

1,5

2

FRUmat à FRW

7,5

12

Kalbeverlauf pat.

0,75

1

Kalbeverlauf mat.

0,75

1

Totgeburten pat. à VIW

2,9

3

Totgeburten mat.

2,9


Zellzahl à EGW

7,6

10

Melkbarkeit

3,3

3


Eine weitere kleine Änderung betrifft die Milchwert-Sicherheit. Bisher wurde die Sicherheit für die Fettmenge als MW-Sicherheit ausgewiesen, das wird auf die echte Index-Sicherheit (MW) umgestellt. Das hat überwiegend merklich höhere MW-Sicherheiten als bisher zur Folge.


Fazit

Die beschriebenen Änderungen im Fitnessbereich und im Gesamtzuchtwert sind teilweise gravierend, sodass die ZW-Änderungen durchaus deutlich sind. Es handelt sich auf jeden Fall um sehr wichtige Weiterentwicklungen, die die ZWS-Systeme für die „kleinen Rassen“ wieder auf den neuesten Stand bringen!